Freitag, 25. Juni 2010

Zum Alleinsein

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, sagt Gott.
(1. Mose 2,18-19)

Aber: Nur ALLEIN, kann der Mensch SEIN.

Muss ich bedauern

Muss ich bedauern, dass ich bin, wie ich bin,
und nicht, wie andere mich gerne hätten?

Muss ich bedauern, mein Leben und meinen Sinn in diesem zu hinterfragen
und nicht Quell positiver Freude zu sein?

Muss ich bedauern, dass meine Stimmungen schwanken
und für jedermann unerträglich sein können?

Ich bedauere, dass mir Anpassung nicht gelingt,
Ich bedauere, ein Getriebener zu sein.

Muss ich um Verzeihung bitten, Abbitte leisten, Geld in den Klingelbeutel werfen,
Buße tun oder nach Canossa wandern?

Muss ich mich der Waage des Lebens stellen, die mich vielleicht für zu leicht befindet ?
Und wenn dem so wäre, was sollte ich tun?

Ich bemühe mich, genügt das?
Was bleibt? Aushalten? Mich aushalten. Solange es erträglich ist.

Wenn nicht?

Dienstag, 22. Juni 2010

Seele

Wenn die Seele weint, friert das Herz.

Freitag, 11. Juni 2010

Merkelismus

Allen „Ismen“, so riet mir einer meiner frühen Lehrer, solle der Mensch, der sich das Gefühl eines billig und gerecht denkenden Wesens zu erhalten gedenke, mit Vorsicht begegnen. Einerseits würden oft einseitige Pseudowahrheiten mit Unfehlbarkeitsgarantie in den geistigen Raum gestellt und andererseits würden sich stets fanatische Apostel zur allzeitigen und militanten Verteidigung einfinden, alles in allem meinte er, der Mensch brauche keine Ismen. Womit bereits zwei Begriffe genannt seien, die keiner weiteren Erläuterung bedürfen: Dogmatismus, Fanatismus. Gleichfalls anfügen, weil in den Zusammenhang passend sollte ich hier Marxismus, Leninismus, Kommunismus, Liberalismus, Kapitalismus, Faschismus, Islamismus, Katholizismus, Protestantismus und Atheismus. Der Ergänzung halber, einen Anspruch auf Vollständigkeit erlaube ich mir nicht aufzeigen zu können, füge ich, die Gesamtheit der Menschheit jedoch weniger berührende Ismen an. Kubismus, Dadaismus, Expressionismus, Surrealismus, Symbolismus. Ich erspare Ihnen und mir, ich sehe mich auch nicht tiefsinniger Erläuterungen fähig, allumfassendes Wissen vorzutäuschen. Womit wir wieder, es ist doch schön, wie sich alles fügt, oder?, bei der Titelzeile angelangt wären, beim Merkelismus. In der Sprache der ‚Birne‘ würde ein Pfälzer Obstbauer seinen Nachbarn etwa wie folgt aushorchen: „Hoste schunn geheert, was sAngela gesaat hot?“ Das Wort s Angela wird etwa wie folgt ausgesprochen: Das s bedeutet es oder auch das. Niemand würde auf die Idee kommen, ‚die Angela‘ zu sagen, also in der Pfalz oder auch im Saarland, weil dort Frauen immer sächlichen Geschlechts zu sein scheinen, Sachen also. Aber das wollen wir mal als nicht geschrieben markieren, sonst sitzt mir ein weiterer Ismus näm-lich der feminine im Nacken. Zurück zur Aussprache. Dieses s, das es bedeutet, wird mit einem ganz kurzen, gestoßenen, vorangestellten e, wie beim Imperativ von ‚essen‘ also ess, aber kürzer und einer weniger starken Betonung auf dem zweiten s vorgetra-gen. Alles verstanden? Kleine Übung: s’räänt (es regnet) oder s’kimmt / s’kütt (es kommt). Des Weiteren sei angefügt, dass das g in Angela nicht wie ein g bei Gustav sondern wie ein SCH bei Schwachsinn gesprochen wird. S’Angela lauten nunmehr im Zusammenhang: Ess Anschelaaa.
Ich bin Ihnen noch die Antwort des Nachbarn schuldig, habe ich mich ja glatt verritten in der Urlautforschung. Dieser meinte nämlich in seinem Skeptizismus: „Nää.“ Und der Wissende erklärte sodann, ich muss dem Pfälzer jetzt, ob er will oder nicht, einen hochdeutschen Satz in den Mund legen, allein schon wegen des Authentizismus, was die Hüterin des Merkelismus so vor kurzem treffender nicht hätte formulieren können. „Solide Finanzen sind jetzt die beste Krisenprävention, die wir machen können.“ Gut, ich gebe zu, ein Pfälzer hätte dem letzten Halbsatz vielleicht, ich sage bewusst vielleicht, einen bodenständigeren Flair gegeben: „die wo mir mache kenne.“

Der weitere aufschlussreiche Dialog über die Wirtschaftskrise und den untauglichen Versuch der Merkelisten soll nicht unterschlagen werden.

„Unn was mäant es do domit?“
„Das ma net mehr ausgibt, als ma einimmt.“
„Is das was Neies?“
„Nää.“
„Warum säat se das dann?“
„Dass mir’s wisse un spare.“
„Ei mir spare doch schunn immer.“
„Awer das wäs doch die net.“
„Ah. – Misse die annere ach spare.“
„Wen mäanste dann?“
„Ei, di die mee han als mir?“
„Die Reiche?“
„Jo, die.“
„Dass kannste von dene net velange.“
„Och?“
„Die honn das net gelernt.“
„Was?“
„Ei s’spare.“
„Kenne di das net lerne?“
„Geh fort. Dass lerne di nie.“
„Jo dann.- Awer sa emol, warum hot die Regierung es letzte Johr so viel zum Fenster enaus geschmisse vor die Banke?“
„Ich honn ders doch gesagt, weil die s’spare net gelernt hon.“
„Un jetzt dirfe mir das bezahle?“
„Dass war doch schunn immer so, oder?“
„Ei jo. Et is nur gut, dass mir noch was anneres gelernt honn.“
„Was dann?“
„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“
„Das müst ma der Hüterin des Ferkelismus, äh Merkelismus doch amol san.“
„Du Kapp, die gehert doch ach zu dene, die’s net lerne.“

Donnerstag, 10. Juni 2010

Nichts

Wir besitzen nichts, wir haben nichts außer dem Nichts,
sitzen im Nichts, steigen auf ins Nichts,
bis wir eingehen ins Nichts und ein Teil von ihm werden.

Glück

Ein Leben lang suche ich das Glück,
aber ich habe mich verlaufen.

Montag, 7. Juni 2010

Zeit und andere Abgewöhntheiten

Freitag-Nachmittag. Es ist spät. Heute Morgen war Montag. Was lag dazwischen? Nun. Ich spreche mit einer Kollegin, die auch nicht weiß, ob es sich lohnt, den Tag umzuschlagen.
Ich habe es mir abgewöhnt, aus dem Büro zu stürmen und dem Leben hinterher zu hetzen. Ich hole mich nicht ein. Nie. Auf dem Weg zur Straßenbahn, ich nehme mir Zeit dafür, eilen mit Handy am Ohr Planende an mir vorbei. „Bin um…“, „Dann können wir…“, „Heute Abend….“, „Schaffe ich grad…“, „Hast du die Karten…“, Vor dem Eingang…“, „Zehn Minuten später…“, „Ohne uns fangen..“. Alle überholen mich, sollen sie. Meine Ruhe überholen sie nicht, die gehört mir. Sollen sie doch rennen. Sie glauben eben noch. Dumm. Ich laufe auch nicht mehr, wenn es durch‘s Laufen vielleicht noch reichen würde. Die Erfahrung lehrte mich, dass das Laufen keinen Erfolg zeitigt. Hoher Puls und Schweiß und Rücklichter. Ich gönne keinem Fahrer diesen Triumph. Türen zu, grinsen. Manchmal Rechtfertigung durch einen Hinweis auf den Fahrplan, Ordnung, Zucht nur in Gedanken. Nein, ich laufe nicht. Hin und wieder schlendere ich an der stehenden Straßenbahn, meiner, äußerlich unbeteiligt, vorbei. Dann greife ich in die unvermeidliche Ablaufplanung ein. Kurz vor dem Verschließen der Türen drücke ich und steige siegreich ein. Innerlich zeige ich den gestreckten Mittelfinger. Das turnt an. Meistens stehe ich. Ich teste, ob mir jemand einen Platz anbietet. Meistens habe ich Glück. Ich schreibe dies meinem jugendlichen Aussehen zu, weiß aber, dass das Platzmachen für Ältere aus der Mode gekommen ist.
Ich beobachte gern. Frau mit Kind und Kleinkind. Es wirft seinen Schnuller zur Erde. Ein junges Mädchen streitet sich mit ihrem Freund. Mit wem sonst. Ein alter Mann, also einer der älter, viel älter ist als ich, regt sich kopfschüttelnd auf. Eine Kopftuchträgerin. Ein junger Mann kratzt sich im Genitalbereich, zwei Mädchen kichern. Eine Andere erzählt einer Freundin von ihrem Termin beim Frauenarzt. So genau wollte ich das nicht wissen.
Ich stehe auch noch an meiner Haltestelle. Ich lasse alle vor mir aussteigen. Sie hetzen mir den roten Teppich aus, über den ich schreite. Zwei junge Halb- oder Ganzstarke rennen bei Rot über die Ampel. Die Frau von vorhin packt Kindergartenkenntnisse aus. Rot – stehen, grün – gehen. Schau nach links, rechts, geradeaus, dann kommst du immer gut nach Haus. Die Kleine, die große Kleine, merkt unsicher an: Das gildet aber nicht bei ROT, oder? Ich habe es mir schon lange abgewöhnt, bei Rot über eine Ampel zu gehen. Ich komme noch früh genug, an den Ort, an dem ich schlafe. Es liegt mir nichts daran, schnell dort hinzukommen. Warum auch. Es wartet niemand. Tiere sind nicht erlaubt.
Ich habe es mir abgewöhnt, zu warten auf die vor mir liegende Zeit, die auch nur im Kreis läuft. Es gibt kein „Wenn NICHT, dann NEIN, sonst JA“.
Ich sagte es schon, ich hole mich nicht ein und nicht die Zeit. Auch nicht, wenn ich rückwärts laufe.
Ich habe es mir abgewöhnt, abends etwas zu wünschen oder zu wollen, weil Montag Freitag ist.